Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Gregorianischer Choral an St. Laurentius

Das Kirchenjahr im gregorianischen Choral

Die Sonn- und Feiertage im Kirchenjahr

Gründonnerstag

Introitus

In den ältesten Handschriften des Gregorianischen Chorals seit dem 8./9. Jh. findet sich für diesen Tag die Bezeichnung „Feria V in Cena Domini" (5. Wochentag vom Abendmahl des Herrn). Der deutsche Name „Gründonnerstag" leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „gronan" (- weinen) her und hat wohl seinen Ursprung in der Wiederaufnahme der Büßer in die Gemeinschaft der Kirche, die an diesem Tag vollzogen wurde. Nach dem Zeugnis des hl. Augustinus sowie jenem der Pilgerin Egeria fanden im 4. Jh. in Nordafrika bzw. in Jerusalem zwei Eucharistiefeiern statt. Im Rom des 7. Jhs. sind drei Eucharistiefeiern bezeugt: eine aus Anlass der Wiederaufnahme der Büßer, eine zweite zur Weihe der Öle, die man für die Taufen in der Osternacht benötigte, und eine dritte zum Gedenken an das Letzte Abendmahl Jesu.
In der heutigen nachkonziliaren Liturgie des Gründonnerstags ist zu unterscheiden zwischen der „Missa Chrismatis" (Chrisam-Messe) am Vormittag, die dem Bischof einer Diözese vorbehalten ist und während der die Weihe der Öle vorgenommen wird, und der „Missa vespertina in Cena Domini" (Abendmesse vom Abendmahl des Herrn) im Gedenken an die Einsetzung der Eucharistie. Letztere Messe zählt eigentlich nicht zur Liturgie des Gründonnerstags, sondern stellt den Auftakt zum Triduum Sacrum dar, der Feier der heiligen drei Tage des gekreuzigten, begrabenen und auferstandenen Herrn (Augustinus), und bildet in Sonderheit eine unzertrennliche Einheit mit dem Gedenken des Kreuzestodes Christi am Karfreitag, als dessen sakramentale Vorwegnahme das Mahl Jesu mit seinen Jüngern am Vorabend seines Todes zu verstehen ist.

Der Introitus Nos autem gloriari gleich zu Beginn der liturgischen Gedenkfeier des Letzten Abendmahles hat programmatische Bedeutung, insofern er in Anlehnung an Gal 6, 14 prägnant zusammenfasst, worum es bei der Feier der österlichen Geheimnisse (mysterium paschale) der heiligen drei Tage letztlich geht: um die Zusammenschau von Tod und Auferstehung Jesu als Quelle für Heil ("salus"), Leben ("vita"), Auferstehung ("resurrectio") und unsere Erlösung ("liberati sumus"). Unter musikalischem Aspekt sei besonders auf die Häufung von Tonverdoppelungen hingewiesen, durch die zentrale Begriffe und Aussagen des Textes nachdrücklich hervorgehoben werden, so bei „Domini nostri lesu Christi", „vita" und „resurrectio".
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 120f

Nos autem gloriari oportet
in cruce Domini nostri Iesu Christi,
in quo est salus, vita, et resurrectio nostra,
per quem salvati et liberati sumus.

Wir aber sollen uns rühmen
im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus:
In ihm ist Heil, Leben und unsere Auferstehung;
durch ihn sind wir erlöst und befreit.

Ps.  1

Deus misereatur nostri,
et benedicat nobis :
illuminet vultum suum super nos,
et misereatur nostri.

Gott sei uns gnädig
und segne uns,
er lasse sein Angesicht über uns leuchten
und erbarme sich unser.
https://gregorien.info/chant/id/5599/0/de

Sie können diesen Choral auch hören:

https://www.youtube.com/watch?v=dESoLm7dph0  (Solo mit Quadratnotation)

https://www.youtube.com/watch?v=Md7TXrH82vE  (Schola)

Palmsonntag

Tractus

Dominica in Palmis de Passione Domini" (Palmsonntag vom Leiden des Herrn), so lautet der volle lateinische Titel dieses Sonntags, mit dem die „Hebdomada Sancta" (Heilige Woche), die Karwoche, eröffnet wird. In Jerusalem ist nach den Aufzeichnungen der Pilgerin Egeria schon im 4. Jh. für den Nachmittag dieses Tages ein Wortgottesdienst auf dem Ölberg bezeugt, an den sich im Gedenken an den Einzug Jesu in Jerusalem eine Prozession in die Stadt Jerusalem bis zur Grabeskirche anschloss. Kinder ziehen diesem Bericht zufolge mit Palm- oder Ölzweigen mit, und alle Anwesenden antworten auf die dargebotenen Hymnen und Lobgesänge immer wieder mit dem Ruf „Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn". Auf diese Situation nimmt auch die aktuelle gottesdienstliche Feier des Palmsonntags Bezug, und zwar gleich in ihren ersten beiden Gesängen, den Antiphonen Hosanna filio David und Pueri Hebracorum, sowie dem Responsorium Ingrediente Domino.
Nach dem Vorbild der in dem genannten Pilgerbericht aufgezeichneten Gedenkfeier in Jerusalem, die noch nicht mit einer Eucharistiefeier verbunden war, hat sich ein ähnlicher Ritus sehr bald auch in anderen Kirchen, vornehmlich des Ostens, seit dem 8. Jh. auch im Frankenreich herausgebildet. Dieser nahm hier mehr und mehr szenische Elemente auf, etwa wenn mancherorts bei der Palmprozession ein hölzerner Esel auf Rädern mit einer darauf befestigten Christusfigur mitgeführt wurde. In Rom ist die Einführung einer Prozession in die Liturgie dieses Sonntags erst seit dem späten 1.Jh. bezeugt. Hier standen zunächst andere Aspekte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, so vor allem die an diesem Tag vorgenommene Salbung der Taufbewerber mit Katechumenenöl in Vorbereitung auf die Taufe in der Osternacht. Aus diesem Grund war als Evangelium der Bericht von der Salbung in Betanien (Mt 26,6-13) vorgesehen, der seinerseits mit dem unmittelbar folgenden Bericht über den Verrat des Judas direkt in die Leidensgeschichte einmündete. Mit der Zeit zog diese größere Aufmerksamkeit auf sich, so dass es schließlich zur Charakterisierung dieses Sonntags als Dominica de Passione, als Sonntag vom Leiden Christi kam. Damit war gleichzeitig der Auftakt zu den gottesdienstlichen Feiern der gesamten Karwoche gegeben.
Dies änderte sich auch dann nicht, als im 11. Jh. schließlich auch in Rom die Palmprozession eingeführt wurde. Die heutige Liturgie des Palmsonntags trägt beiden Aspekten, dem Gedächtnis des Einzugs Jesu in Jerusalem und dem Beginn seines Leidens, Rechnung, was der offizielle lateinische Name „Dominica in Palmis de Passione Domini" treffend zum Ausdruck bringt.
Unter den Propriumsgesängen der Eucharistiefeier des Palmsonntags ragt allein schon wegen seiner Länge der Gesang nach der ersten Lesung heraus: der Tractus Deus, Deus meus, in dem große Teile von Ps 21/22 vertont sind. Obwohl seine Melodieführung sich vielfach formelhafter Wendungen bedient und großenteils auf psalmodischer Grundstruktur basiert, ja im Grunde eine besonders feierliche, häufig auch melismatische Ausgestaltung des 2. Psalmtons darstellt, überrascht sie an mehreren Stellen durch ausdrucksstarke musikalische Hervorhebungen zentraler oder emotional dichter Aussagen des Textes, so z. B. bei den Textstellen "Deus meus, clamaboper diem, nec exaudies" (mein Gott, ich schreie am Tag, aber du hörst es nicht), "Tu autem in sancto habitas, laus Israel" (du aber wohnst im Heiligtum, Lob Israels), "Ego autem sum vermis et non homo" (ich aber bin ein Wurm und kein Mensch), "Libera me de ore leonis" (befreie mich aus dem Rachen des Löwen). Aber auch schon der allererste Vers lässt durch die ausladende melismatische Ausformung des ersten Wortes „Deus" und die emphatische musikalische Hervorhebung der Worte "quare me dereliquisti" (warum hast du mich verlassen?) aufhorchen. Es sind dies die letzten Worte Jesu am Kreuz, die die Liturgie der Karwoche erneut Jesus in den Mund legt und deren musikalische Ausgestaltung dazu geeignet ist, in Sängern und Hörern starke Empfindungen hervorzurufen.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 113-116

Deus, Deus meus, respice in me,
quare dereliquisti.

Gott, mein Gott, schau auf mich,
warum hast du mich verlassen?

Vers.  1

Longe a salute mea verba delictorum meorum.
Du bist fern meiner Rettung, den Worten meiner Klage!

Vers.  2

Deus meus clamabo per diem, nec exaudies:
in nocte, et non ad insipientiam mihi.

Mein Gott, ich rufe bei Tag, und du antwortest nicht,
bei Nacht, und ich habe keine Ruhe.

Vers.  3

Tu autem in sancto habitas, laus Israel.
Du aber wohnst im Heiligtum, unter den Lobgesängen Israels!

Vers.  4

In te speraverunt patres nostri:
speraverunt, et liberasti eos.

Auf dich hofften unsere Väter;
sie hofften - und du hast sie befreit.

Vers.  5

Ad te clamaverunt, et salvi facti sunt:
in te speraverunt,
et non sunt confusi.

Zu dir riefen sie und wurden gerettet;
auf dich vertrauten sie
und wurden nicht zuschanden.

Vers.  6

Ego autem sum vermis,et non homo:
opprobrium hominum, et abiecto plebis.

Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.

Vers.  7

Omnes qui videbant me,
aspernabantur me:
locuti sunt labiis
et moverunt caput.

Alle, die mich sehen,
spotten über mich;
sie reißen den Mund auf
und schütteln den Kopf.

Vers.  8

Speravit in Domino,
eripiat eum:
salvum faciat eum,
quoniam vult eum.

Er hat auf den Herrn vertraut;
der soll ihn befreien;
der soll ihn retten,
er hat ja Lust an ihm!

Vers.  9

Ipsi vero consideraverunt,
et conspexerunt me:
diviserunt sibi vestimenta mea,
et super vestem meam miserunt sortem.

Sie aber schauen her
und sehen mich [schadenfroh] an.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los über mein Gewand.

Vers.  10

Libera me de ore leonis:
et a cornibus unicornuorum humilitatem meam.

Befreie mich aus dem Rachen des Löwen
und vor den Hörnern der Büffel errette mich Armen!

Vers.  11

Qui timetis Dominum, laudate eum:
universum semen Iacob, magnificate eum.

Die ihr den Herrn fürchtet, lobt ihn!
Ihr alle vom Samen Jakobs, ehrt ihn!

Vers.  12

Annuntiabitur Domino generatio ventura:
et annuntiabunt caeli iustitiam eius.

Verkündet werden wird dem Herrn ein kommendes Geschlecht,
und verkünden werden die Himmel seine Gerechtigkeit.

Vers.  13

Populo qui nascetur, quem fecit Dominus.
Dem Volk, das geboren wird, dass der Herr es vollbracht hat.
https://gregorien.info/chant/id/1955/0/de

Sie können den Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=Ztm_vLGh2zA  (Solo mit Quadratnotation)

https://www.youtube.com/watch?v=SV8QDmyJ9KU (Schola)